Heilmittelbericht: Podologische Behandlungen für Diabetes-Patienten innerhalb von zehn Jahren um 74 Prozent gestiegen

Heilmittelbericht 2020 erschienen

Berlin. Jeder achte bei der AOK versicherte Diabetes-Patient ist 2019 podologisch behandelt worden. Das zeigt der aktuelle Heilmittelbericht des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Mit der fachgerechten Beobachtung und Behandlung der Füße von Diabetes-Patienten können schwerwiegende Schäden wie das diabetische Fuß-Syndrom und damit letztlich auch das Risiko für Amputationen von Füßen oder Unterschenkeln reduziert werden. Während in den letzten zehn Jahren die Rate der mit podologischen Maßnahmen versorgten AOK-Versicherten mit Diabetes mellitus um 74 Prozent angestiegen ist, ist die Amputationsrate bei Diabetes-Patienten im selben Zeitraum um 15,5 Prozent zurückgegangen. „Dies dürfte nicht zuletzt ein Erfolg der strukturierten Behandlung in den Disease-Management-Programmen für Diabetes-Patienten sein, in denen regelmäßige ärztliche Kontrollen der Füße und bei Bedarf podologische Verordnungen vorgesehen sind. Die Behandlung durch Podologen kann bei der Vermeidung von schwerwiegenden Komplikationen unterstützen“, so Helmut Schröder, stellvertretender WIdO-Geschäftsführer.

Von den insgesamt mehr als 26,8 Millionen AOK-Versicherten sind rund 3,17 Millionen an Diabetes mellitus erkrankt. Damit sind knapp 12 Prozent aller AOK-Versicherten im Jahr 2019 an der Stoffwechselerkrankung Diabetes vom Typ 1 oder Typ 2 betroffen. Ein erhöhter Blutzuckerspiegel erhöht das Risiko für Schädigungen an den Nerven und Blutgefäßen. In der Folge kann es – oftmals zunächst unbemerkt – zu Haut- und Nagelveränderungen kommen, sodass sich kleinste Verletzungen infizieren und zu Geschwüren entwickeln können. Weit fortgeschrittene Komplikationen können eine Amputation oder Teilamputation von Fuß oder Unterschenkel notwendig machen. Bei knapp einem Drittel (32,1 Prozent) der AOK-versicherten Diabetes-Patienten lagen 2019 Neuropathien, ein diabetisches Fuß-Syndrom oder beide Folge-Erkrankungen gleichzeitig vor. Damit waren mehr als eine Million AOK-versicherte Diabetes-Patienten betroffen.

Deutlicher Rückgang der Amputationen unter den Diabetes-Patienten

In den Jahren 2009 bis 2019 ist die podologische Behandlungsrate unter den Diabetes-Patienten deutlich angestiegen. Die podologischen Leistungen wurden 2002 in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen und die Zahl der Leistungserbringer ist im Laufe der Jahre langsam angestiegen. Dies wird auch auf der Seite der Patienten deutlich: Während im Jahr 2009 67,6 je 1.000 AOK-Versicherte mit Diabetes mellitus podologisch behandelt wurden, waren es im Jahr 2019 bereits 117,4 je 1.000 AOK-versicherte Patienten. Damit stieg die Behandlungsrate um 74 Prozent. Dies ist sicherlich auch auf die Disease-Management-Programme zurückzuführen, deren Teilnehmerzahl von 2009 bis 2019 um knapp ein Viertel (24,1 Prozent) gestiegen ist. Im selben Zeitraum sank die Rate der von Amputationen oder Teilamputationen betroffenen Diabetes-Patienten um 15,5 Prozent: Von einer Fuß- oder Beinamputation waren 2009 5,3 je 1.000 AOK-versicherte Patienten betroffen, im Jahr 2019 waren es 4,5 je 1.000 AOK-versicherte Diabetes-Patienten.

Aktuell jeder achte Diabetes-Patient mit Behandlung des Fußes

Knapp 400.000 an Diabetes erkrankte AOK-Versicherte (12,5 Prozent der Diabetes-Patienten) haben 2019 von einem Arzt eine Behandlung des Fußes beim Podologen verordnet bekommen oder – bei schwerwiegenden Schäden – eine solche Behandlung bei einem Arzt in Anspruch genommen. Eine podologische Behandlung in podologischen Heilmittelpraxen erhielten im Jahr 2019 insgesamt mehr als 372.000 AOK-versicherte Diabetes-Patienten an zusammen etwa 2,67 Millionen Terminen. Von den 75- bis 89-jährigen Diabetes-Patienten unterzogen sich 15 Prozent einer podologischen Therapie.

Entwicklung der Fußamputationen bei Diabetes-Patienten im ersten Halbjahr 2020 unauffällig

In einer ersten Abschätzung zeigt sich, dass sich auch im ersten Halbjahr 2020 der langjährige Trend eines Rück-gangs der Amputationen unter den Diabetes-Patienten fortsetzte: Je 100.000 Patienten waren 238 von einer Amputation betroffen. Dieser Wert liegt erwartungsgemäß unter dem Wert des ersten Halbjahres 2019 (minus 5,4 Prozent), doch es gab keinen deutlichen Einbruch der OP-Zahlen. „Dies kann als erster Hinweis interpretiert werden, dass notwendige Amputationen bei Diabetes-Patienten trotz der Coronavirus-Pandemie vorgenommen wurden“, so Schröder. Allerdings könne sich im weiteren Jahresverlauf 2020 noch eine pandemiebedingte Zurückhaltung bei der Konsultation von Ärzten oder bei den podologischen Behandlungen zeigen. Diese Frage könne erst im Laufe des kommenden Jahres mit den dann vorliegenden Abrechnungsdaten der ambulant tätigen Ärzte und der Heilmittel-Leistungserbringer beantwortet werden. „Ob die Pandemie Auswirkungen auf die Rate der Amputationen hat, muss dann langfristig untersucht werden“ so Helmut Schröder.

Der Heilmittelbericht 2020

Für den Heilmittelbericht 2020 hat das WIdO die insgesamt rund 46 Millionen Heilmittelleistungen ausgewertet, die 2019 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet wurden. Der Heilmittelumsatz erreichte insgesamt 8,8 Milliarden Euro und ist damit gegenüber dem Vorjahr um 21,6 Prozent gestiegen. Diese deutliche Steigerung des Heilmittel-Umsatzes ist auf eine gesetzliche Anpassung durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) zurückzuführen: Seit dem 1. Juli 2019 ergibt sich der neue bundesweit einheitlich geltende Preis für die jeweilige Leistung durch den höchsten Preis, der zuvor in einer Region des Bundesgebietes für die jeweilige Leistungsposition vereinbart worden ist. Heilmittel umfassen physiotherapeutische, sprachtherapeutische, ergotherapeutische und podologische Leistungen, die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Für die 5,2 Millionen AOK-Versicherten, die 2019 eine Heilmittelbehandlung in Anspruch genommen haben, können die Kennzahlen der Versorgung auch mit Fallbezug dargestellt werden.

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